Die Lebensdauer von GRACE-FO
Die Lebensdauer der beiden GRACE-FO-Satelliten und deren Instrumente wurde von der Industrie auf fünf Jahre ausgelegt und im Mai 2023 erreicht. Seitdem ist die Mission bereits in ihrer „Bonusphase“. Kleinere Probleme wie das wegen technischer Probleme notwendige Umschalten der Instrument Processing Unit (IPU) auf dem zweiten Satelliten GFO-2 kurz nach dem Start auf ihre Reserve-Einheit störten dabei nur kurzfristig. Auch erfüllt der Beschleunigungsmesser, der wichtig für Korrekturen durch Einflüsse der Restatmosphäre (in Flughöhe der Satelliten) und des solaren Strahlungsdrucks (sogenannte „nicht-gravitative Beschleunigungen“) ist, auf GFO-2 nicht seine Spezifikationen. Für die Lösung dieses Problems haben sich die Wissenschaftler:innen ein Verfahren ausgedacht, bei dem die Daten des ersten Satelliten auf den zweiten „transplantiert“ werden. Als Ergebnis werden aus den Messdaten im wissenschaftlichen Auswertesystem kontinuierlich nominelle monatliche SchwerefeldmodellEin Schwerefeldmodell beschreibt in mathematisch kompakter Form die räumliche Verteilung der Erdanziehung (Gravitation) für eine bestimmte Zeitepoche. Die Darstellung des Gravitationspotentials für einen Punkt im Außenraum der Erde (außerhalb de...e berechnet.
Seit Mitte 2021 steigt die Sonnenaktivität, sie wird ihr Maximum etwa 2025 erreichen. Dieser etwa 11-jährige Zyklus verursacht größere nicht-gravitative Beschleunigungen, eine damit verbundene schnellere Bahnabnahme und letztlich einen höheren Treibstoffverbrauch. Die Wissenschaftler:innen beobachten diese Phänomene genau und ergreifen geeignete Gegenmaßnahmen, um die Lebensdauer bis mindestens 2028 zu verlängern. Dies wäre dann immer noch doppelt so lang wie ursprünglich geplant. Die erste GRACE-Mission (2002-2016) war ebenfalls auf eine fünfjährige Betriebsdauer ausgelegt, welche schließlich auf das Dreifache ausgedehnt werden konnte.
Die Nachfolgemission GRACE-C
Die NASA hat kürzlich die Beobachtung von Massentransporten als eine ihrer fünf wichtigsten Prioritäten der nächsten zehn Jahre identifiziert. Um die nächste Mission dieser Art zu realisieren, braucht die NASA internationale Partner. Wegen der herausragenden technologischen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit bei GRACE und GRACE-FO haben das GFZ, die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) und das DLR in Zusammenarbeit mit der deutschen Industrie darauf bereits reagiert und seitdem mehrere Studien in enger Zusammenarbeit mit JPL/NASA durchgeführt. Als Ergebnis wurde im September 2022 am Ende der Phase A (gefördert durch das BMBF und durchgeführt vom GFZ) ein Vorschlag präferiert, der die Nachfolgemission auf Basis des sehr erfolgreich auf GRACE-FO realisierten Laser Ranging Interferometer (LRI)Das "Laser Ranging Interferometer" (LRI) misst Abstandsänderungen zwischen den beiden GRACE-FO-Satelliten. Laser-Interferometrie bezeichnet alle Messmethoden, die die Überlagerung oder Interferenz von Laser-Wellen nutzen um Messungen im Genauigkeit... Technologiedemonstrators vorsah. Der Deutsche Bundestag hat im Oktober 2022 die Finanzierung der deutschen Missions-Anteile (Beschaffung der Startrakete, Durchführung des Missionsbetriebs beim German Space Operation Center (GSOC) des DLR und der wissenschaftlichen Auswertung am GFZ sowie das Design und den Bau der optischen Komponenten des LRI) genehmigt. Die NASA wird, wie bei GRACE-FO, wieder die elektronischen Bauteile des LRI, die beiden Beschleunigungsmesser sowie Teile der wissenschaftlichen Auswertung bereit stellen. Der Bau der beiden Satelliten wird erneut durch Airbus im Auftrag von JPL/NASA in Deutschland erfolgen. Dadurch ergibt sich nicht nur eine finanzielle „win-win Situation“ für Deutschland, vielmehr sind durch den Nachbau eines erfolgreich betriebenen Missionskonzeptes, diesmal ohne die technisch veraltete Mikrowellenabstandsmessung und auch ohne IPUs, eventuelle technische, finanzielle und terminliche Schwierigkeiten begrenzt.
Seit Oktober 2022 hat das DLR das Management der GRACE-C-Mission vom GFZ übernommen und arbeitet aktuell zusammen mit der NASA an der Konzeption, an Kooperationsabkommen mit den wissenschaftlichen Partnern GFZ und MPG sowie an Beauftragungen der deutschen Industrie. Die Bauphase soll ca. Oktober 2023 beginnen. Der Start der Mission ist für Mai 2028 vorgesehen, sodass die nominell fünfjährige Betriebsdauer bis 2033 andauern würde und somit in Kombination mit GRACE und GRACE-FO eine drei Dekaden überdeckende Beobachtungszeitreihe liefern könnte.
Vision: die Doppelpaar-Konstellation NGGM/MAGIC
Die Schwerefeldmissionen GRACE, GRACE-FO und deren Nachfolgemission GRACE-C sind sehr gut geeignet, um die gravierenden Folgen des KlimaIm Unterschied zum Wetter, das sich auf tagesaktuelle oder sehr kurzfristige Ereignisse bezieht, meint Klima einen mittleren Zustand in der Atmosphäre über einen längeren Zeitraum von 30 bis 40 Jahren hinweg. Beobachtet werden dabei alle Vorgänge...wandels über einen langen Zeitraum zu erfassen. Dazu gehören unter anderem das Abschmelzen der polaren EisschildKontinentale Eismassen mit großer horizontaler Ausdehnung (mehrere tausend Kilometer) und Mächtigkeit (mehrere tausend Meter). Aktuell gibt es auf der Erde Eisschilde in Grönland und der Antarktis. Zum Zeitpunkt des letzten glazialen Maximums vor ...e, der Anstieg des Meeresspiegels oder Veränderungen im terrestrischen Wasserspeicher. Alle GRACE-Einzelpaarmissionen haben aber auch den Nachteil, dass die zeitliche Auflösung auf einen Monat und die räumliche Auflösung auf ca. 300 km beschränkt und damit für viele Anwendungen im konkreten Fall relativ ungenau ist. Massentransporte können auch nicht immer eindeutig einem bestimmten Gebiet zugeordnet werden, was nachträglich bei der Datenberechnung korrigiert werden muss.
Um diese Nachteile des Messprinzips von GRACE-C zu reduzieren, plant die ESA zusätzlich die sogenannte Next Generation Gravity Mission (NGGM). Diese neue Satellitenmission soll die Erde ab etwa 2032 auf einer geneigten Bahn (65–70 Grad Bahnneigung gegenüber dem Äquator) und tiefer (ca. 400 km) als deren Vorgänger umkreisen. Die Beobachtung der nicht-gravitativen Störkräfte soll zusätzlich durch einen etwa zehnmal genaueren Beschleunigungsmesser verbessert werden. Die Kombination beider Doppelpaarmissionen wird die geschilderten Nachteile eines Einzelpaares deutlich reduzieren, so dass zahlreiche neue geophysikalische Anwendungsszenarien realistisch sind.
Der große Vorteil wäre, dass die Berechnung der Daten statt für 30 auch für nur wenige Tage vorgenommen werden kann und eine Nachbearbeitung bzw. räumliche Glättung nur noch in Ausnahmefällen erforderlich ist. Zudem sollen Near-Realtime (NRT) Massentransportmodelle operationelle Dienste wie die Beobachtung von Flutereignissen oder Dürren ermöglichen.
Text: Prof. Dr. Frank Flechtner, GFZ
Weiterführende Informationen
ESA-Artikel zur zukünftigen Mission: The future of gravity is MAGIC, 25.04.2023