Veränderungen des Meeresspiegels mit GRACE beobachten

Das Schwerefeld der ErdeDas Schwerefeld der Erde setzt sich aus der Erdanziehung (Gravitation) und der durch die Erdrotation verursachten, breitenabhängigen Zentrifugalbeschleunigung zusammen. Die Materie in und auf der Erde ist nicht gleichmäßig verteilt. Wasser, locker... wird von der Massenverteilung im Erdinnern und an der Erdoberfläche bestimmt. Veränderungen von einem Zeitpunkt zum anderen können durch die räumliche Verschiebung von Massen verursacht werden. Strömungen im Weltozean sind ein prominentes Beispiel für solche Massentransporte, die auf sehr unterschiedlichen Zeitskalen ablaufen können.  Die zeitlichen Veränderungen des Meeresspiegels an der deutschen Nordseeküste werden durch den halbtäglichen Wechsel der Gezeiten geprägt. Verursacht durch die sich überlagernden gravitativen Anziehungskräfte von Sonne und Mond werden großräumige Wellen in allen großen Ozeanbecken angeregt. Je nach Geometrie der Becken sind Gezeiten unterschiedlich stark ausgeprägt: Während die Nordsee durch einlaufende Gezeitenwellen aus dem Atlantik besonders starke Meereshöhenänderungen erfährt, sind Gezeitensignale in der Ostsee für die gelegentliche Beobachterin nicht erkennbar: hier wirken Engstellen im Bereich der dänischen Inseln und des Großen Belts deutlich dämpfend auf die Gezeitendynamik.

Die Schwerefeldmissionen zeichnen auch Ozeangezeiten auf

Die Sensordaten der Schwerefeldmissionen GRACE und GRACE-FO enthalten gewisse Aspekte der Ozeangezeiten. Allerdings laufen diese Prozesse sehr schnell ab – die wichtigste Mondgezeit hat eine Periode von nur 12 Stunden und 40 Minuten –, sodass die Satelliten nicht das komplette Signal erfassen können. Effekte der Ozeangezeiten werden in der Datenprozessierung daher regelmäßig mit Hilfe von externen Modellen abgezogen. Ein dafür geeignetes globales numerisches Model wird auch am GFZ entwickelt (Sulzbach et al., 2021). In Einzelfällen ist es aber möglich, mit Hilfe von GRACE-Daten Defizite in diesen Modellen aufzudecken. Das ist insbesondere in polaren Regionen der Fall, wo einerseits eine höhere Dichte von Messdaten der Schwerefeldmissionen vorliegt und andererseits die Modellierung der Gezeitendynamik durch die Präsenz von MeereisAls Meereis wird das Eis bezeichnet, das sich durch Gefrieren von Meerwasser bildet. Zum Meereis zählt weder das dauerhaft auf dem Land liegende Eis von Gletschern und Eisschilden, noch von ihm abbrechende Eismassen, also Eisberge. Die Beobachtung d... besonders kompliziert ist.

Neben den Gezeiten werden extreme Wasserstände an den deutschen Küsten insbesondere durch auflandige Winde erzeugt. Bei zeitlicher Koinzidenz mit Tidenhöchstständen entstehen Sturmfluten, die für einige Stunden eine besondere Gefahr für die Küstenbewohner:innen darstellen. Auch diese windgetriebenen ozeanischen Signale werden von den Schwerefeldmissionen registriert. Aufgrund der schnellen Veränderungen werden auch diese Signale nicht in allen Fällen direkt gemessen, sondern routinemäßig über externe Modelle korrigiert. Für diesen Zweck wird am GFZ seit 2002 das Hintergrundmodell AOD1B prozessiert und an alle Projektpartner in den USA und Deutschland weitergegeben. AOD1B liegt mittlerweile in der Version 07 vor (Shihora et al., 2023). 

 

Beiträge zum globalen Meeresspiegelanstieg

Auf langen Zeitskalen sind es insbesondere Veränderungen in der Gesamtmasse des Wassers in den ozeanischen Becken, die sich in den Daten von GRACE und GRACE-FO manifestieren. Etwa zwei Millimeter des jährlichen Anstiegs des mittleren Meeresspiegels sind auf den zusätzlichen Eintrag von Schmelzwasser der EisschildKontinentale Eismassen mit großer horizontaler Ausdehnung (mehrere tausend Kilometer) und Mächtigkeit (mehrere tausend Meter). Aktuell gibt es auf der Erde Eisschilde in Grönland und der Antarktis. Zum Zeitpunkt des letzten glazialen Maximums vor ...e, Eiskappen und Gletscher zurückzuführen (Dobslaw et al., 2020). Der Meeresspiegelanstieg ist dabei nicht überall auf der Welt gleich stark, sondern abhängig von der räumlichen Verteilung der Massenanomalien über den Kontinenten, die eine regional variable Anziehung auf die ozeanischen Wassermassen bewirken. So steigt der Meeresspiegel rund um Grönland mit seinen starken Eismassenverlusten weniger schnell als im zentralen Pazifik. Diese räumliche Variabilität des Meeresspiegels wird auch als „Fingerabdruck“ von zeitlichen Veränderungen der großen EisschildKontinentale Eismassen mit großer horizontaler Ausdehnung (mehrere tausend Kilometer) und Mächtigkeit (mehrere tausend Meter). Aktuell gibt es auf der Erde Eisschilde in Grönland und der Antarktis. Zum Zeitpunkt des letzten glazialen Maximums vor ...e in Grönland und der Antarktis bezeichnet.

2 Millimeter
des jährlichen Anstiegs gehen aktuell auf das Schmelzen von kontinentalem Eis zurück

Neben dem Eintrag von zusätzlichem Schmelzwasser trägt auch die thermische Ausdehnung des Meerwassers durch die globale Erwärmung zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Dieser Anteil kann nicht durch die Schwerefeldmissionen erfasst werden (thermische Ausdehnung verändert nicht den ozeanischen Bodendruck), sondern wird durch Radarsatelliten wie TOPEX/Poseidon oder JASON erfasst. Durch die Kombination von gravimetrischen und altimetrischen Messungen lassen sich somit zeitliche Veränderungen der Gesamtmenge der in den Ozeanen gespeicherten Wärme quantifizieren. Gegenwärtig liegt die daraus bestimmte globale Energie-Imbalanz bei etwa 0,74 Watt je Quadratmeter Erdoberfläche (Marti et al., 2022). Es wird also im Mittel 0,2% mehr Energie aus solarer Einstrahlung aufgenommen als wieder in den Weltraum abgegeben. 

Aufgrund verschiedener Rückkopplungsmechanismen im Erdsystem sind der thermischen Ausdehnung des Meerwassers aber langfristig Grenzen gesetzt. Die großen EisschildKontinentale Eismassen mit großer horizontaler Ausdehnung (mehrere tausend Kilometer) und Mächtigkeit (mehrere tausend Meter). Aktuell gibt es auf der Erde Eisschilde in Grönland und der Antarktis. Zum Zeitpunkt des letzten glazialen Maximums vor ...e in Grönland und der Antarktis haben hingegen das Potential, insgesamt bis zu 7 bzw. 58 m Meeresspiegelanstieg zu verursachen. Numerische Modelle prognostizieren langsam steigende Massenverluste insbesondere in der Westantarktis und in Grönland (Payne et al., 2021). Beweise für beginnende Veränderungen in den Polargebieten gibt es bereits in den Daten ganz verschiedener Satelliten so dass ein anhaltender Anstieg des Meeresspiegels absehbar ist und der Beitrag von zusätzlichem Schmelzwasser im Vergleich zur thermischen Ausdehnung wichtiger werden wird. Für die genaue Dokumentation dieser beiden sehr unterschiedlichen Beiträge zum Meeresspiegelanstieg ist auch zukünftig der gleichzeitige Betrieb von AltimetrieVerfahren zur Höhenmessung von Wasserflächen: Mit Hilfe eines Radars oder Lasers kann vom Satelliten aus beispielsweise die Höhe der Meeresoberfläche oder eines Seespiegels gemessen werden. Hierzu werden kurzwellige Radio- oder Laserimpulse senkr...missionen (nach JASON-3) und Schwerefeldsatelliten (in Nachfolge von GRACE-FO) dringend geboten.

Signaturen der Meridionalen Umwälzzirkulation

Neben den großräumigen Signalen des masseninduzierten Meeresspiegelanstiegs gibt es auch räumlich eng begrenzte Variationen im ozeanischen Bodendruck am Schelfhang vor der amerikanischen Ostküste, welche in ursächlichem Zusammenhang mit Variationen im Transport nordatlantischen Tiefenwassers und damit der meridionalen Umwälzzirkulation stehen. Der oberflächennahe Teil dieser Umwälzzirkulation, der Golfstrom, ist maßgeblich für das verhältnismäßig milde KlimaIm Unterschied zum Wetter, das sich auf tagesaktuelle oder sehr kurzfristige Ereignisse bezieht, meint Klima einen mittleren Zustand in der Atmosphäre über einen längeren Zeitraum von 30 bis 40 Jahren hinweg. Beobachtet werden dabei alle Vorgänge... im nordwestlichen Europa verantwortlich (Bingham and Hughes, 2008). Diese Signale konnten bislang in den Daten von GRACE und GRACE-FO nicht verlässlich detektiert werden, so dass deren Nachweis ein wichtiges Ziel für zukünftige verbesserte Schwerefeldmissionen darstellt.

Text: Dr. Henryk Dobslaw, GFZ

Vorteile des GRACE-Messverfahrens bei Meeresspiegeländerungen

Die GRACE-Satellitenmissionen liefern als einziges gegenwärtig bekanntes Fernerkundungsverfahren quantitative Aussagen zu Massenverlagerungen zwischen Kontinenten und Ozeanen. Damit kann erstmals der Anteil von Schmelzwasser am Anstieg des Meeresspiegels genau quantifiziert und als eigene Komponente im Zeitverlauf dargestellt werden. Der Anteil von Schmelzwasser macht ca. 50 Prozent des gegenwärtigen Gesamtanstiegs aus (s. Abbildung). Die Separation der verschiedenen Beiträge zum Meeresspiegelanstieg ist wichtig für die Validation numerischer Modelle, welche für Prognosen von zukünftigen Meeresspiegeländerungen benötigt werden.

Weiterführende Literatur

  • Artikel im GFZ-Journal System Erde (2/2017): Ozeanographische Anwendungen der GRACE-Mission, PDF
  • Englischer Fachartikel zur Bestimmung des Meeresspiegelanstiegs aus GRACE-Beobachtungen: Dobslaw et al. (2020)
  • Englischer Fachartikel zur globalen Energieimbalanz aus Satellitenmessungen: Marti et al. (2022)
  • Englischer Fachartikel zum langfristigen Meeresspiegelanstieg durch antarktische und grönländische Eismassenverluste: Payne et al. (2021)
  • Englischer Fachartikel über Bodendrucksignale der Atlantischen Umwälzzirkulation: Bingham and Hughes (2008)
  • Englischer Fachartikel über das atmosphärisch-ozeanische Hintergrundmodell AOD1B: Shihora et al. (2023)
  • Englischer Fachartikel über die numerische Gezeitenmodellierung am GFZ: Sulzbach et al. (2021)