Beobachtung von Bewegungen der festen Erde mit den GRACE-Satelliten

Massenumverteilungen in der Atmosphäre, im Ozean, auf dem Land und in der Erdkruste belasten den Erdkörper, der unter diesen nachgibt und sich deformiert. Auf sehr langen Zeitskalen verhält sich das Gestein nicht elastisch, sondern teilweise wie eine zähe Flüssigkeit. Nur durch das Verständnis dieser internen Prozesse gelingt es uns, die mit den Deformationen verbundenen und durch die GRACE-Satelliten beobachteten Schwereänderungen richtig zu interpretieren.

Permanente Erdbewegungen

Obwohl die Erde ein sich deformierender Planet ist, suggeriert uns unsere tägliche Erfahrung, dass sie starr ist. Bewegungen der Erdoberfläche sind, abgesehen von Erdbeben, für den Menschen nicht unmittelbar wahrnehmbar. Dies liegt daran, dass diese Bewegungen - die bedeutendste ist wohl die PlattentektonikDer deutsche Meteorologe und Polarforscher Alfred Wegener formulierte 1912 seine Theorie der Kontinentalverschiebung. Die Plattentektonik, also die Bewegung verschiedener Erdplatten, die sich entweder aufeinander zu (Kollision oder auch Subduktion), ... - langsam und großflächig gleichförmig sind. Die höchsten Geschwindigkeiten, die an der Erdoberfläche erreicht werden, liegen dabei im Bereich von Zentimetern pro Jahr und sind über Hunderte bis Tausende von Kilometern fast konstant. Damit bewegt sich alles, Menschen, Häuser und Städte, mit fast gleicher Geschwindigkeit. Solche Bewegungen werden heute permanent mit Hilfe von satellitengestützten geodätischen Beobachtungssystemen wie Globalen Navigationssatellitensystemen (GNSS) beobachtet und fließen in eine Vielzahl wissenschaftlicher wie technischer Anwendungen ein.

Sobald sich die Erdoberfläche in vertikaler Richtung bewegt, ändert sie auch das Schwerefeld, das mit den GRACE-Satelliten beobachtet werden kann. Verursacht werden diese Vertikalbewegungen vor allem durch Massenverlagerungen, die auf die Erdoberfläche einen Druck ausüben, der die Erde deformiert (Abb. 1). Da diese Massenverlagerungen wie Luftdruckunterschiede, Ozeanströmungen und -gezeiten, Flusspegel, Grundwasserspiegeländerungen oder Schneebedeckungen ebenfalls das Schwerefeld beeinflussen, stellt die beobachtete Änderung des Schwerefeldes eine Kombination aus der Deformation und der gravitativen Wirkung der deformierenden Last dar. Der Zusammenhang zwischen Auflast und Deformation für rein elastische Deformationen der Erde auf Zeitskalen von Stunden bis hin zu Dekaden ist sehr gut verstanden und kann präzise berechnet werden. 

Glazial-isostatische Anpassung und Postglaziale Landhebung

Auf deutlich längeren Zeitskalen von Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden verhält sich das Erdinnere jedoch grundverschieden, und das elastische Verhalten der Lithosphäre ist vom Fließverhalten des Gesteins im Erdmantel zu trennen.

Ein bekannter Prozess ist die nacheiszeitliche Landhebung im Norden von Skandinavien, die bis zu einem Meter pro Jahrhundert betragen kann. Diese Bewegung, die in der Wissenschaft als glazial-isostatische Anpassung (GIA) bezeichnet wird, ist der noch heute andauernde Nachhall der letzten glazialen Vereisungsperiode. Noch vor 20.000 Jahren war der Norden Europas von einem mehrere Kilometer dicken EisschildKontinentale Eismassen mit großer horizontaler Ausdehnung (mehrere tausend Kilometer) und Mächtigkeit (mehrere tausend Meter). Aktuell gibt es auf der Erde Eisschilde in Grönland und der Antarktis. Zum Zeitpunkt des letzten glazialen Maximums vor ... bedeckt. Der Erdmantel verhält sich auf einer solch großen Zeitskala von tausenden von Jahren wie eine zähe Flüssigkeit (mit sehr festem Honig vergleichbar), auf der die elastische Lithosphäre schwimmt. Das mächtige EisschildKontinentale Eismassen mit großer horizontaler Ausdehnung (mehrere tausend Kilometer) und Mächtigkeit (mehrere tausend Meter). Aktuell gibt es auf der Erde Eisschilde in Grönland und der Antarktis. Zum Zeitpunkt des letzten glazialen Maximums vor ... hatte damals die Lithosphäre um mehrere hundert Meter nach unten verbogen und das darunter liegende Mantelmaterial verdrängt. Durch das Abschmelzen des Eises zum Ende der Kaltzeit und der daraus resultierenden Entlastung sollte die Lithosphäre sofort zurückfedern. Sie wird aber durch den zähen Mantel daran gehindert. Die Anpassung erfolgt verzögert, und der Boden hebt sich noch heute. Bereits vor 200 Jahren wurde in Nordschweden diese Landhebung durch die damit verbundene relative Meeresspiegelsenkung der Ostsee als solche beschrieben.

Die noch immer andauernde Bewegung wird heute in einer Vielzahl von geodätischen Beobachtungen festgestellt. Aufgrund der Landhebung sinkt der Meeresspiegel in den vormals vereisten Gebieten. Der horizontale Transport von Mantelmaterial in Richtung Skandinavien (Abb. 2) führt in ehemals nicht vereisten Regionen Mitteleuropas hingegen zu (kleinen) Landsenkungen, die zu einem zusätzlichen Anstieg des relativen Meeresspiegels führen. Die damit verbundene Änderung des Schwerefeldes ist ein signifikanter Beitrag zum durch die GRACE/GRACE-FO-Satelliten gemessenen Schweresignal. GIA ändert die Position der Rotationsachse, was als Polbewegung bezeichnet wird, genauso wie die Position des Massenschwerpunktes der gesamten Erde bzgl. ihrer Oberfläche. 

Viskositätsverteilung im oberen Erdmantel

Die Zähigkeit des Erdmantels, in der Physik spricht man von Viskosität, ist nicht überall gleich. So führen dynamische Prozesse im Erdmantel zu Änderungen in der Temperatur. Da die Viskosität aber stark von der Temperatur abhängt – wieder kann Honig als gutes Beispiel dienen, der ja auch durch Erhitzen dünnflüssig wird – finden wir im Erdinnern Viskositäten, die sich um mehrere Größenordnungen unterscheiden. Vor allem in tektonisch aktiven Gebieten, wo höhere Temperaturen auftreten, ist die Viskosität reduziert. Wenn über diesen Gebieten Eiskappen oder Gletscher abschmelzen, also an Masse verlieren, kann dies bereits innerhalb weniger Jahrzehnte zu einer messbaren Hebungsbewegung führen, die zum Beispiel in der Westantarktis und Südpatagonien durch GRACE/ GRACE-FO beobachtet wird. Durch die Interpretation dieser Bewegung können wir nicht nur besser verstehen, wie viel Eis in den jeweiligen Gebieten abschmilzt, sondern auch viel über das sich deformierende Material im Erdinneren lernen. Die Analyse dieser Hebungsbewegungen stellte für lange Zeit die einzige Möglichkeit dar, die Viskosität des Erdmantels direkt zu bestimmen.

Postseismische Deformationen

Ein dynamisch verwandter Prozess ist die sogenannte postseismische Deformation, also die anhaltende Verformung der Erdkruste nach einem großen Erdbeben. Hervorgerufen werden postseismische Deformationen durch die Spannungen, die sich zwischen Krustenblöcken aufbauen und dann durch ein plötzliches Beben und damit einhergehenden sprunghaften Verschiebungen zwischen den Krustenblöcken (koseismische Deformation) abgebaut werden. Diese Verformung kann sich je nach Geometrie des Bebens auch in einer Hebung oder Senkung der Lithosphäre äußern und mit den GRACE/GRACE-FO-Satelliten beobachtet werden. Auch hier kommt es zu einer zeitlich verzögerten Anpassung. Dieser Prozess kann in der Vertikalbewegung über mehrere Jahre andauern. Interessanterweise erfolgt diese Bewegung schneller als von der Viskosität zu erwarten ist, die man aus GIA ableitet. Folglich spricht man von einem transienten, also einem Übergangs-Verhalten, das zwischen rein elastischem und rein viskosem Verhalten wirkt. Materialuntersuchungen im Labor unterstützen diese Hypothese, so dass sich hier geophysikalische Beobachtungen und Materialwissenschaften gegenseitig befruchten.

Postseismische Bewegungen sind jedoch im Vergleich zu GIA oder den Oberflächenlasten recht kleinräumig, so dass nur sehr große Erdbeben mit den GRACE/GRACE-FO-Satelliten beobachtet werden können. Mit künftigen Doppelpaar-Missionen wie NGGM/MAGIC wird die Beobachtung von Erdbeben bis zur Magnitude 7 möglich sein. Ausgehend von historischen Erdbebenkatalogen und unter ausschließlicher Berücksichtigung von Ereignissen mit substantieller Auf- oder Abschiebung erwarten wir durchschnittlich 60 seismische Ereignisse pro Jahr, die ab dem Jahr 2032 mit einer deutlich verbesserten Schwerefeldmission detektierbar sein sollten (Abb. 3).

Text: Dr. Volker Klemann, GFZ

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