30.09.2023

Sommerschule zu eiszeitlichen Veränderungen des Erdmantels

Gruppbenbild Teilnehmer Sommerschule
Foto: Rebekka Steffen

Die Erde ist im Laufe ihrer Geschichte einer Vielzahl drastischer Veränderungen unterworfen worden. Dazu gehört der Wechsel von Kalt- und Warmzeiten, die zum Entstehen und Abschmelzen kilometer-mächtiger Eisschilde in Nordeuropa und Nordamerika geführt haben. Wasser wurde den Ozeanen entzogen und die Erdoberfläche unterhalb der Eisschilde einige Hundert Meter nach unten gedrückt. Zudem änderte sich die Massenverteilung innerhalb der Erde und die Rotation der Erde wurde beeinflusst. Die Spannungsänderungen in der Erdkruste waren teils so stark, dass diese zu Erdbeben geführt haben, insbesondere gegen Ende der Vereisungen. Die Antwort der Erde auf all diese eiszeitlichen Veränderungen wird als glazial-isostatische Anpassung, englisch glacial isostatic adjustment (GIA), bezeichnet.

Text: Holger Steffen (Lantmäteriet, Sweden)

GIA ist ein globaler Prozess, der auch noch Jahrtausende nach dem Abschmelzen der EisschildKontinentale Eismassen mit großer horizontaler Ausdehnung (mehrere tausend Kilometer) und Mächtigkeit (mehrere tausend Meter). Aktuell gibt es auf der Erde Eisschilde in Grönland und der Antarktis. Zum Zeitpunkt des letzten glazialen Maximums vor ...e beobachtet werden kann. Dies beruht auf der Zähflüssigkeit des Erdmantels: dieser reagiert durch seine hohe Viskosität von durchschnittlich 1021Pascalsekunden (Pa s) stark zeitverzögert auf schnelle Be- oder Entlastungen. Zum Vergleich: Wasser hat eine Viskosität von ca. 1 Pa s, Honig von 104 Pa s. Dadurch hebt sich die Erdoberfläche in den ehemals vereisten Gebieten auch heute noch, in Nordeuropa mit etwa 1 Zentimeter pro Jahr. Die Menschen haben sich an die Landhebung angepasst und versetzen zum Beispiel einen Hafen seewärts, wenn er im Laufe der Zeit verlandet.

Auch in den Messungen der Schwerefeldmissionen GRACE und GRACE-FO zeigt sich GIA deutlich. Durch die Landhebung entsteht ein Massendefizit im Mantel unterhalb des sich hebenden Gebietes. Mantelmaterial aus der Umgebung strömt in diesen Bereich, und diese Massenänderung sieht GRACE. Sie entspricht etwas mehr als 1 μGal pro Jahr und liegt damit in einer Größenordnung, die andere Prozesse, wie langfristige hydrologische Massenänderungen, überdeckt. GIA zeigt sich ebenso in den Bereichen der heutigen großen EisschildKontinentale Eismassen mit großer horizontaler Ausdehnung (mehrere tausend Kilometer) und Mächtigkeit (mehrere tausend Meter). Aktuell gibt es auf der Erde Eisschilde in Grönland und der Antarktis. Zum Zeitpunkt des letzten glazialen Maximums vor ...e in Grönland und der Antarktis, da auch diese während der Eiszeiten eine andere Gesamtmasse und Massenverteilung hatten. Das GIA-Signal der damaligen Veränderungen überdeckt somit heutige klimabedingte Massenänderungen in diesen Regionen. Ein gutes Verständnis und letztendlich eine präzise Korrektur des GIA-Effektes ist daher essenziell für die GRACE Datenanalyse.

Wissenschaftliche Analyse mit den GRACE-Satellitenmissionen

Die wissenschaftliche Analyse des GIA-Signals in GRACE Daten begann wenige Jahre nach dem Start des ersten GRACE-Satellitenpaares im Jahr 2002, da eine Beobachtungsreihe von etwa 4 bis 5 Jahren notwendig war, um das GIA-Signal klar zu identifizieren. Ein Fokus lag dabei zunächst auf dem großflächig ausgeprägten Signal in Nordamerika. Tamisiea et al. (2007) und van der Wal et al. (2008) gelang es dabei, das Verständnis zu GIA fundamental zu erweitern. Verglichen mit bis dato existierenden GIA-Modellen war die Eismächtigkeit in Nordamerika während der letzten Vereisung geringer als zuvor bekannt. Gleichzeitig konnte endgültig bestätigt werden, dass das nordamerikanische EisschildKontinentale Eismassen mit großer horizontaler Ausdehnung (mehrere tausend Kilometer) und Mächtigkeit (mehrere tausend Meter). Aktuell gibt es auf der Erde Eisschilde in Grönland und der Antarktis. Zum Zeitpunkt des letzten glazialen Maximums vor ... einst zwei Gipfelpunkte (je einen westlich und östlich der Hudson Bay) besaß. In Nordeuropa hingegen wurden die bisherigen auf terrestrischen Deformations- und Schweremessungen basierenden GIA-Modelle durch GRACE in mehreren Studien weitestgehend bestätigt, siehe dazu eine Zusammenfassung in Steffen & Wu (2011). In den Polargebieten jedoch ist und bleibt die Bestimmung des GIA-Signals mit GRACE eine Herausforderung, da die gegenwärtigen klimabedingten Eismassenveränderungen genauestens separiert werden müssen, was mit Blick auf die begrenzte Verfügbarkeit von terrestrischen Messungen in den Polargebieten eine große Herausforderung darstellt.

Für die immer wichtiger werdenden hydrologischen Untersuchungen wird das GIA-Signal in den GRACE-Beobachtungen mittlerweile mit adäquaten Modellen korrigiert. Wang et al. (2013) zum Beispiel konnten mit verbesserter GIA-Korrektur die Erholung der Grundwasserspeicher in Kanada nach einer längeren Trockenperiode zeigen. Es wird aber weiterhin - nicht zuletzt aufgrund der oben skizzierten Probleme in den Polarregionen - auf verbesserte GIA-Modelle hingearbeitet, wobei hier die Verbesserung der GIA-Korrektur für GRACE eine zusätzliche und dringliche Motivation geliefert hat. Die neuesten GIA-Modelle beachten dabei die physikalischen Eigenschaften und Heterogenität der Erde sowie die neuesten Erkenntnisse zur Physik und Verteilung der EisschildKontinentale Eismassen mit großer horizontaler Ausdehnung (mehrere tausend Kilometer) und Mächtigkeit (mehrere tausend Meter). Aktuell gibt es auf der Erde Eisschilde in Grönland und der Antarktis. Zum Zeitpunkt des letzten glazialen Maximums vor ...e sowie deren Auswirkungen auf Grundwasser und Ozeane.

Beobachtung von Bewegungen der festen Erde mit den GRACE-Satelliten

Massenumverteilungen in der Atmosphäre, im Ozean, auf dem Land und in der Erdkruste belasten den Erdkörper, der unter diesen nachgibt und sich deformiert. Auf sehr langen Zeitskalen verhält sich das Gestein nicht elastisch, sondern teilweise wie eine zähe Flüssigkeit. Nur durch das Verständnis dieser internen Prozesse gelingt es uns, die mit den Deformationen verbundenen und durch die GRACE-Satelliten beobachteten Schwereänderungen richtig zu interpretieren.

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Weiterbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses

Die weltweite Anzahl der Forschenden und der Methoden zur GIA-Modellentwicklung wächst daher aktuell weiter an. Zur Ausbildung einer neuen Generation von Wissenschaftler:innen, die in der Lage ist, GIA-Modelle zu entwickeln und zu nutzen, finden in regelmäßigen Abständen internationale Sommerschulen statt. Die letzte Schulung im Juli 2023 in Gävle, Schweden, begrüßte 40 Studierende (von über 180 Bewerber:innen) aus 20 verschiedenen Ländern von 6 Kontinenten. Die fünftägige Veranstaltung umfasste Vorträge und praktische Übungen, die aktuelle Forschungsthemen einbezogen und dabei Erfahrungen und Wissen führender Wissenschaftler:innen – unter anderem vom Potsdam-Institut für KlimaIm Unterschied zum Wetter, das sich auf tagesaktuelle oder sehr kurzfristige Ereignisse bezieht, meint Klima einen mittleren Zustand in der Atmosphäre über einen längeren Zeitraum von 30 bis 40 Jahren hinweg. Beobachtet werden dabei alle Vorgänge...folgenforschung und dem GFZ – an die nächste Generation weitergaben. Alle Vorträge wurden aufgezeichnet und veröffentlicht (zu den Vorträgen) und sind bereits hunderte Male abgerufen worden. Auch die Kursmaterialien bleiben dort öffentlich verfügbar und können von der globalen Forschungsgemeinschaft weiterhin genutzt werden. Das überwältigende Interesse an der Schule und die erfolgreichen Ergebnisse für die Teilnehmer:innen zeigen eine starke Nachfrage nach dieser Art von Ressource als Möglichkeit für Nachwuchsforscher:innen, sich dem hochkomplexen und multidisziplinären Bereich der GIA-Modellierung zu widmen. Die perfekte GIA-Korrektur von GRACE/GRACE-FO Daten und zukünftigen Schweresatellitenmissionen wird dabei stets eines der wichtigsten Ziele sein.

Literaturtipps

Steffen, H., and Wu, P. (2011). Glacial isostatic adjustment in Fennoscandia - a review of data and modeling. J. Geodyn. 52 (3-4), 169–204, DOI: 10.1016/j.jog.2011.03.002.

Tamisiea, M.E., Mitrovica, J.X., and Davis, J.L. (2007). GRACE gravity data constrain ancient ice geometries and continental dynamics over Laurentia. Science 316, 881, DOI: 10.1126/science.1137157.

van der Wal, W., Wu, P., Sideris, M.G., and Shum, C.K. (2008). Use of GRACE determined secular gravity rates for glacial isostatic adjustment studies in North-America. J. Geodyn. 46, 144–154, DOI: 10.1016/j.jog.2008.03.007.

Wang, H., Jia, L., Steffen, H., Wu, P., Jiang, L., Hsu, H., Xiang, L., Wang, Z., and Hu, B. (2013). Increased water storage in North America and Scandinavia from GRACE gravity data. Nature Geosci. 6(1), 38–42, DOI: 10.1038/ngeo1652.